Das Ursprungsdiagramm (Abbildung 1) habe ich aus einer Sportzeitschrift 1:1 übernommen. Bei diesem Diagrammtyp handelt es sich um ein gestapeltes Säulendiagramm.

Anhand dieses Beispiels zeige ich Dir die Dos und Don’ts bei der Datenvisualisierung. Im Zuge dessen wandeln wir dieses Diagramm in eine “kommunikationstaugliche” Visualisierung um, welche uns dann eine bestimmte Story erzählen wird.

Schau Dir aber zunächst einmal das Originaldiagramm an und überlege Dir, was Du hier verändern bzw. besser machen würdest. Erkennst Du innerhalb von 10 – 20 Sekunden worum es hier geht und wo genau bzw. was das Problem ist? Was will uns diese Grafik mitteilen? Wie viele Verbesserungen fallen Dir ein?

Nimm Dir ein paar Minuten Zeit, bevor Du weiterliest.

Vorher

Abbildung 1: Vorher – Originaldiagramm 

Meine Verbesserungsvorschläge

 

1. Titel und Untertitel

Der Titel ist wenig aussagekräftig und generisch (allgemein) formuliert. Ebenso der Untertitel. Die Ausrichtung ist zentriert, das ist suboptimal. In der westlichen Kultur beginnen wir üblicherweise links oben zu lesen, dort sollte auch der Titel und Untertitel stehen.

2. Gitternetzlinien und Diagrammrahmen

Brauchen wir hier wirklich die Gitternetzlinien, damit wir die Werte leichter kognitiv erfassen können? Ich denke nicht, im Gegenteil, sie wirken störend und haben absolut keinen Mehrwert in dieser Grafik.

Generell: Nie einen Diagrammrahmen verwenden. Die Visualisierung sollte immer in die Seite unscheinbar eingebettet sein.

3. Achsentitel und -beschriftung

y-Achse:

Der Schriftgrad ist mit 9 zu klein, sollte sowohl beim Achsentitel als auch bei der Achsenbeschriftung mindestens 11 sein. Die Platzierung des Achsentitel in der Mitte der y-Achse ist nicht optimal. Besser oben, bündig am Ende der y-Achse, sieht auch ordentlicher aus. Und wie uns die wahrnehmungspsychologischen Gestaltprinzipien vermitteln, liebt unser Gehirn Ordnung.

Aber an dieser Stelle stellt sich die Frage, ob ich eine y-Achse überhaupt brauche? Eine Regel lautet nämlich, wenn Du die Datenreihen direkt beschriftest, dann lass die y-Achse weg und vice versa.

Hier würde ich die Beschriftung bei den Säulen beibehalten und die y-Achse weglassen. Somit müssen wir viel weniger unsere Augen hin- und her bewegen, das ist angenehmer und ermüdet uns nicht.

x-Achse:

Auch hier den Schriftgrad auf 11 erhöhen. Die Teilstriche zwischen den Säulen sind unnötig, tragen nichts zum leichteren Erfassen der Daten bei, also besser weglassen.

4. Farben

Die Farben für Gold, Silber und Bronze sollten auch tatsächlich diesen entsprechen. Die Farben für die Ränge 4 und 5 etwas dezenter halten (Grautöne).

5. Legende

Wann immer möglich, dann beschrifte die Datenreihen direkt. So wie in dieser Grafik dargestellt, ist das für unser Gehirn eine ziemlich große Belastung, immer wieder abzugleichen, welche Legendenfarbe kommt wo in den Säulen vor.

Diese kognitive Belastung unbedingt vermeiden!

Wenn eine direkte Beschriftung nicht möglich ist, dann die Legende oben links unterhalb des Untertitels platzieren.

6. Gestapelte Säulen – Problem gemeinsame Grundlinie

Bei einem gestapelten Säulendiagramm haben wir das Problem, dass nur die unterste Reihe eine gemeinsame Grundlinien hat. Hier kann ich die Säulen über die Jahr noch sehr gut anhand der Höhe miteinander vergleichen. Doch ab Reihe zwei (Rank 4) wird es schwierig.

Da die gemeinsame Grundlinie fehlt, ist das visuelle Vergleichen der Säulen über die Jahre sehr schwer.

Wenn das Ziel dieser Grafik der Vergleich der gesamten Säulenhöhe (alle Ränge zusammen) über die Jahre ist, dann könnten wir die Säulen so belassen. Ich mache dann ja nur einen visuellen Abgleich mit der obersten Reihe; die einzelnen Ränge würden mich nicht interessieren.

Wenn ich aber die einzelnen Ränge über die Jahre vergleichen will, dann ist diese Darstellung schlecht. Dann benötige ich für jede Rangreihe eine eigene Grundlinie, damit ich aus der Säulenhöhe die Entwicklung visuell schnell und richtig ablesen kann.

7. Säulenbreite und -abstand

Die Säulen sollten eine Abstandsbreite (Bezeichnung in Excel) zwischen 40% und max. 60% haben. Mit dieser Einstellung erhalten die Säulen eine geeignete Breite und einen angemessenen Abstand zu den angrenzenden Säulen.

8. Was ist die Story hier?

Als ich das erste Mal dieses Diagramm betrachtete, schwirrten meine Augen planlos herum, mir fehlte ein Anhaltspunkt. Auf was sollte ich im Speziellen achten? Was will mir diese Grafik sagen?

Mir fiel natürlich auf, dass das Jahr 2019/20 im Vergleich zu den vorherigen Jahren in Summe weniger Top 5 Platzierungen aufweist. Aber ich hatte keine Ahnung warum das so ist.

Was ist die Story hier? Eine Visualisierung ohne Story hat wenig Sinn!

Was wollte der Ersteller dieser Grafik uns mitteilen? Anhand dieser Visualisierung kann ich nur Vermutungen anstellen.

Es gab einen langen Text oberhalb dieser Grafik. Daraus konnte ich schließlich ableiten, dass diese Grafik zeigen sollte, wie sich das Ausscheiden von Marcel Hirscher im Herbst 2019 auf die Top 5 Platzierungen der Folgesaison ausgewirkt hat. Es wäre schön gewesen, wenn ich das direkt aus der Grafik mit einem Blick hätte sehen können.

9. Der Fokus fehlt

Wie vorhin erwähnt, es fehlt die aktive Lenkung der Aufmerksamkeit in dieser Grafik. Im moment weiß ich nicht, wo ich hinschauen soll.

Ich würde in dieser Grafik den Fokus auf die letzten beiden Jahre lenken. Ich möchte auch wissen, in welcher Rangkategorie wir die größten Verluste nach Hirscher hinnehmen mussten.

Mit diesen Überlegungen habe ich nicht nur eine Story sondern auch eine klare Vorstellung davon, wohin ich den Fokus in dieser Grafik lenken möchte.

10. Datenquelle fehlt

Eine Quellenangabe bei Daten, speziell wenn diese externen Ursprungs sind, ist notwendig.

Das wären meine Änderungsvorschläge. Auf wie viele bist Du gekommen?

Im Anschluss nun die gleichen Zahlen, aber nach den Grundregeln von Storytelling mit Daten gestaltet. Verwende 10 – 20 Sekunden um zu verstehen worum es geht und lies erst dann unten weiter.

Nachher

Abbildung 2: Nachher – Gestaltet nach den Grundregeln von Storytelling mit Daten

Rekapituliere kurz und erinnere Dich, wie Du diese Visualisierung betrachtet hast.

Ich nehme an Du liest zuerst den Text links oben. Nachdem Du diesen gelesen hast, weißt Du eigentlich schon alles, bevor Du die Grafik gesehen hast.

Genau so soll es sein. Speziell, wenn Du Reports nicht live präsentierst – wo Du die Gelegenheit hättest weitere Infos zu geben – und diese nur versendest (Management One Pager Report), ist dieser Aspekt besonders wichtig.

Nachdem Du also den Text gelesen hast, schaust Du auf die Grafik. Durch das Hervorheben der letzten beiden Saisonen fällt die Aufmerksamkeit sofort auf diesen Bereich. Erreicht wird das, indem ich alles was nicht wichtig ist, in den Hintergrund bringe.

Du erkennst sehr schnell die Unterschiede in den einzelnen Rangkategorien, da ich hier pro Kategorie eine gemeinsame Grundlinie hinzugefügt habe. Auf den Rückgang bei Gold habe ich bereits oben im Text hingewiesen, nun nimmst Du das auch visuell sehr schnell wahr.

Merke! Eine Empfehlung/Handlungsaufforderung in der Grafik ist ganz wichtig, das sollte immer vorhanden sein.

Meine Empfehlung in dieser Grafik ist ganz klar die einzig vernünftige. Wir brauchen Marcel Hirscher zurück im Ski-Weltcup. wink

Innerhalb kürzester Zeit und ohne viel Anstrengung hast Du verstanden, was diese Grafik Dir sagen will. Oder etwa nicht? undecided

Genau in diesem Stil müssen Diagramme auch im Business gestaltet werden.

Ein Vorstand, ein Abteilungsleiter oder sonstiger Entscheidungsträger darf sich nicht anstrengen müssen, um zu verstehen worum es geht.

Die Führungsriege hat weder die Zeit noch ist es ihr Job, die Daten während der Präsentation zu analysieren.

Bei der Präsentation muss das Analyseergebnis für die Herrschaften in kürzester Zeit verständlich sein.

Und erst dann beginnt die Arbeit der Chefitäten, nämlich schnelle und gute Entscheidungen im Sinne des Unternehmens und ihrer Mitarbeiter zu treffen.


FAZIT

Die Story, die Du mit Deinen Daten erzählen willst, bestimmt IMMER die Art und Weise wie Du Dein Diagramm erstellst.

In unserem Fall wollen wir die einzelnen Ränge über die Jahre vergleichen und den Fokus auf die letzten beiden Jahre lenken. Die Aufmerksamkeit soll dann weiter auf den massiven Rückgang der Erfolge nach dem Ausscheiden von Marcel Hirscher, im Speziellen auf den Rückgang bei Gold, gelenkt werden.

Im Anschluss noch einmal die direkte Gegenüberstellung Vorher – Nachher. Ich denke dieser Vergleich lässt sehr schön erkennen, welche Vorteile gute Datenvisualisierung tatsächlich mit sich bringen kann.

Vorher_Nachher

Abbildung 3: Links vorher, rechts nachher (Klick zum Vergrößern)

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